Rulaman Deutschland e.V.
    ...willkommen in der Höhle

Rulaman im Kaukasus

vom 1. bis 30. Mai 2004
Wie kommt man dazu 10.500 km in 4 Wochen zurückzulegen, zudem noch auf teilweise miserablen Straßen? Ganz einfach, die Freude am Harleyfahren nach dem Motto "der Weg ist das Ziel".

Die Reise führte uns zuerst über die Alpen nach Italien. Hier fuhren wir aber nicht auf der Autobahn nach Brindisi, sondern auf Landstraßen, immer auf dem Hauptkamm des Apennin entlang. Wir benötigen 3 Tage bis Brindisi. Es war eine herrliche Fahrt bei schönem Wetter. In Brindisi nahmen wir die Nachtfähre nach Igoumenitsa/Griechenland. So ausgeruht ging es bei strömendem Regen über den Katara-Paß zu den Meteora-Klöstern. Es ist natürlich klar, dass man bei den vielen Kilometern und bei der relativ kurzen Zeitspanne wenig Zeit für Besichtigungen hat.

Quer durch Griechenland sind wir dann nach Istanbul zum dortigen Händler gefahren, da bei Rolfs Bike die Reifen gewechselt werden mussten. Dabei stellte sich heraus, dass der Zahnriemen eine Beschädigung durch einen Stein aufwies. Da diese Beschädigung sich ungefähr in der Mitte des Riemens befand, meinte der Händler, der Riemen müsse noch halten bis wir wieder in Istanbul zurück wären. Für einen Austausch fehlte uns die Zeit, denn wir wollten den Rest der "Kaukasus-Verrückten" in Hattusa bei Ankara treffen. Aber es ist schon ein mulmiges Gefühl, wenn man weiß, dass der Riemen beschädigt ist.

Von Istanbul ging es weiter über Bursa, Gordion (das ist der Ort, wo Alexander der Große den gordischen Knoten löste) nach Ankara. In Ankara übernachteten wir in dem - unserer Meinung nach - schönsten Hotel der Reise im Angora, direkt in der alten Burg von Ankara gelegen. Das Hotel ist ein altes Herrenhaus, welches in ein Schmuckkästchen verwandelt wurde. Der Besitzer hat uns sofort ins Herz geschlossen und uns beim Abendessen angeboten, eine kostenlose Stadtführung zu machen. Die Harleys konnten dabei geschützt im Innenhof geparkt werden

Weiter ging es dann nach Hattusas, der ehemaligen Hauptstadt der Hethiter. Da wir mittags schon ankamen hatten wir genügend Zeit die Ausgrabungen und die berühmten Felszeichnungen zu besichtigen. Spät nachts lief dann der Rest der Truppe ein: 5 Harley- und 1 Goldwing-Fahrer sowie ein Service-Car.

Das Alter der Gruppe lag zwischen 48 und 68 Jahren. Wie man sieht, sind auch noch 68-jährige fähig, eine solch anstrengende Tour zu unternehmen.

Die E 88 von Yildizelji über Siras nach Erzincan war teilweise gut, wird aber zur Zeit verbreitert, wobei gewisse Hindernisse in Kauf genommen werden müssen. Atemberaubend waren die langgestreckten, tiefeingeschnittenen Täler, die von hohen, teilweise schneebedeckten Bergkuppen gesäumt wurden und ein imposantes Panorama boten.

Die Gruppe selbst, führungsgewohnte Männer, hat sich hervorragend verstanden und keiner hatte ein Problem, dass mit Helga eine Frau dabei war. Sicher haben manche gedacht, was wird das für eine Rallye, wenn eine Frau dabei ist, aber Helga hat alle eines Besseren belehrt und alles ohne irgend ein Problem hervorragend gemeistert.

Auf wenig befahrenen, guten Straßen führte die Fahrt über Erzincan, Kars und dem 2.540 m hohen Gecidi-Paß mit Eis, Schnee und Nebel, mit liegengebliebenen unbeleuchteten Lastwagen an die georgische Grenze. Dort wurden wir von unserer deutschsprechenden georgischen Reiseführerin Tamuna erwartet, die uns half, die Zollabfertigung schnell hinter uns zu bringen. Sie bat uns anschließend, noch auf die First Lady des Landes zu warten, welche die Grenzstation besuchen wollte. Gesagt, getan und so wurden wir tatsächlich von der reizenden Gattin des Ministerpräsidenten Sashkavili, Sandra Elisabeth Roelofs, einer Holländerin, in tadellosem Deutsch begrüßt und über unsere Rallye befragt. Dabei war auch das Fernsehen, welches dann abends einen Bericht ausstrahlte.

Die 25 km Schlaglochpiste bis Achalziche wäre nach Auskunft von Tamuna noch der harmloseste Abschnitt gewesen, was wir aber für einen Witz hielten. Am nächsten Tag wurden wir eines Besseren belehrt. Denn was jetzt kam, war das Schlimmste was wir bisher in unserem Harley-Leben durchgemacht hatten. Die 120 km von Achalziche an die armenische Grenze erfordern wirklich fahrerisches Können, da die Straßenverhältnisse allenfalls mit Brasilien oder afrikanischen Buschpisten zu vergleichen sind. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit durch die teilweise mit Wasser gefüllten Schlaglöcher betrug etwa 30 km/h. Aber wir wurden dadurch entschädigt, dass wir durch eine geradezu atemberaubende Landschaft fuhren mit silbernen Flüssen, die als Wildbäche durch grüne Täler rauschen. Schneebedeckte Bergketten säumten unseren Weg und roter Mohn stand an der Straße und die wenigen Menschen winkten uns zu.

An der georgisch-armenischen Grenze trafen wir die armenische Nationalmannschaft im Thai-Boxen und wurden begrüßt von dem zweimaligen Gold- und Silbermedaillengewinner aus Eriwan. Nach 5-stündigem Warten und 15 $ für jedes Motorrad ging es nach Eriwan und wir übernachteten dabei in einem kleinen Privathotel. Von unserem Hotelfenster hatten wir einen herrlichen Blick auf den 5.137 m hohen Ararat, den heiligen Berg der Armenier, den sie durch die türkische Grenze getrennt nicht mehr erreichen können. Leider fehlte uns die Zeit für eine Stadtbesichtigung, da der Zeitrahmen doch sehr begrenzt war. Die Zeit war sicher das einzig Negative an dieser Rallye.

Auf unserer Weiterfahrt im armenisch-türkischen Grenzgebiet biegen wir nach dem Weindorf Areni ab, um nahe der irakischen Grenze das Kloster Noravanc zu besuchen. An dem aus dem 13. Jahrhundert stammenden Felsenkloster mit einer wunderschönen Kirche treffen wir fröhliche Deutsch-Studentinnen der linguistischen Fakultät aus Erwan, welche von uns und unseren Motorrädern begeistert waren. Das Mittagessen nahmen wir in einer nahegelegenen Felsenbar über dem Fluß Artar ein. Nach Überquerung des 2.410 m hohen Selim-Passes bei regnerischen 5 Grad begrüßen uns der hellblaue Sevan-See, umgeben von hohen Bergen.

Dank der Großzügigkeit von Herrn Kerkorian, einem australischen Medienmogul armenischer Herkunft, befand sich die Straßen größtenteils in gutem Zustand. Bis auf die grenznahen Gebiete, in denen die armenischen Schlaglöcher zwar seltener sind als die georgischen, dafür aber tiefer! Es wird an den Straßen eifrig gebaut, was in Georgien absolut nicht mehr der Fall ist.

In Dilijan erwartet uns kein Hotel, sondern ein vor der Stadt liegendes "armenisches Guesthouse", in das wir etwas durchnäßt am Nachmittag einkehrten. Die Pension entpuppte sich als ein sehr romantisches Haus im Besitz einer Künstlerfamilie, die uns liebevoll mit einem großen armenischen Abendessen mit reichlich Wodka und blumigen Trinksprüchen verwöhnte.

Auf den Straßen muss man mit Hühnern, Gänsen, Ziegen, Schafen, Kühen, Schweinen und anderem Getier rechnen, vor allen mit deren Hinterlassenschaften. Aber besonders ekelhaft sind fehlende Kanaldeckel, welche gestohlen und dann bei Schrotthändlern zu Geld gemacht werden.

Die erneute Einreise in Georgien war unproblematisch und kostete wieder Aus- und Einreisegebühr, wofür weiß nur Gott.

Auf einer unglaublichen Schlaglochpiste, dieses Mal im Regen durch wassergefüllte Löcher, ackerten wir uns im Endurostil von der armenischen zur aserischen Grenze, die wir schlammbespritzt und ziemlich k.o. bei nunmehr ca. 28 Grad erreichten. Nachdem unser georgischer Führer uns durch ein geradezu biblisches Gewirr von Menschen, Tieren und Fahrzeugen durch den georgischen Zoll geschleust hatte, wurden wir freundlich begrüßt mit den nichts Gutes verheißenden Worten: "Willkommen in unserem Land. Wir fühlen uns sehr geehrt und da Sie die erste Motorradgruppe sind, die Aserbaidschan besucht, verzichten wir auf die Erhebung der Straßennutzungsgebühr." Das ist meistens der Beginn eines bürokratischen Abenteuers von apokalyptischen Ausmaßen. Da es keine Vorschriften gibt und westliche Biker in den Köpfen der Beamten eben nicht existieren, führt solch eine Situation meistens zu stundenlangen Diskussionen und Telefonaten mit Vorgesetzen und Ministerien in der Hauptstadt, die am Sonntagabend natürlich unerreichbar bleiben. 8 Stunden später wurde festgestellt, dass ein Gesetz existiert, wonach Motorräder und Minibusse ein Deposit in Höhe von 18 % des Zollwertes hinterlegen müssen. Da wir keineswegs bereit sind, 2.000 $ pro Person als "Deposit" zu hinterlegen, dessen Rückzahlen wohl mehr als fragwürdig gewesen wäre und wir auch nicht auf den Vorschlag der Reiseleiterin eingehen wollen, als Transitreisende durch den Iran oder durch Rußland nach Hause zu fahren, beschlossen wir, nach Tiflis zurückzukehren. Der georgische Reisleiter war nach 40 Min. an der Grenze und lotste uns durch den Zoll, der erneut ein Visum für 80 $ - allerdings keine Einreisegebühren - verlangte. Die nächtliche Motorradfahrt bei Regen und mit beschlagener Brille auf georgischen Straßen war natürlich eine Herausforderung, die wir aber glücklich überstanden haben und endlich konnten wir zufrieden, wenn auch völlig durchnäßt, unsere Bikes im abgeschlossenen Hinterhof des Hotels "Kartli" parken und unsere Zimmer beziehen.

Am nächsten Tag stand anstelle der Besichtigung von Baku die von Tiflis an. Dabei hatten wir mit Tamuna eine hervorragende Führerin, die uns die Geschichte von Georgien und Tiflis nahe brachte. Ein großartiges georgisches Festmahl im besten Lokal der Stadt beschloß den Tag, wobei uns nicht nur die Speisen, sondern vor allen Dingen die Gastfreundlichkeit und die Sanges- und Tanzfreudigkeit der georgischen Polizisten vom Nachbartisch begeisterten. Unsere Bewunderung der tanzenden Polizisten wurde beantwortet, sie seien schließlich nicht nur Polizisten, sondern in erster Linie Georgier.

Gestohlen wurde uns nichts - im Gegenteil, die unvorsichtig abgestellten Gepäckstücke wurden von der Putzfrau gerettet bzw. die Jacke wiedergefunden und auch eine im Taxi vergessene Ledermütze vom Taxifahrer wiedergebracht. Wir sind während der ganzen Reise nicht ein einziges Mal angehalten oder kontrolliert worden.

Die Abfahrt aus Georgien gestaltete sich genauso ehrenvoll wie die Einreise, da wir wiederum von der Präsidentengattin verabschiedet wurden die und sah als sie ihre Kinder zur Schule fuhr.

Durch Adscharien, der ehemals Abtrünnigen Provinz, verließen wir über eine erst kürzlich gesprengte und wieder reparierte Brücke ein wunderschönes Land, in dem sich die Hoffnung im Straßenbau, der Wirtschaft und in zahlreichen Gesprächen niederschlägt.

Die EU willige Türkei benötigte leider 4 Stunden, um uns zu begrüßen, weil die Computer nicht vernetzt waren und wir das Land an einem anderen Grenzübergang verlassen als betreten hatten!

Von Hopa führte uns eine 500 km lange herrliche Fahrt über Trabzon, Samsun, Sinop nach Inebolu an der Schwarzmeerküste entlang und dann weiter nach Kastamonu. Dies war mit einer der schönsten Reiseabschnitte. Es ist eine gut ausgebaute Küstenstraße mit allem, was das Herz begehrt: Kurven in allen Schwierigkeitsgraden, bergauf, bergab mit spektakulären Ausblicken auf das Schwarze Meer bzw. auf die mit Haselnußsträuchern begrünte Gebirgslandschaft. Aber auch einigen Schlaglöchern zum Üben und kurze Schotterpisten, welche uns aber mittlerweile nichts mehr ausmachten. Leider drängte die Zeit mal wieder und so konnten wir in Safranbolu - dem Rothenburg der Türkei - nur eine Stippvisite machen. Die Zeit drängte auch deshalb, weil wir an der 1. Türkish-National-Rallye teilnehmen wollten. An der Stadtgrenze von Istanbul angekommen erwartete uns der Past Director des Istambul Chapters Varol Candar und geleitete uns direkt zum Event Gelände. Dort begrüßte uns mit großem Hallo Helmut Notters Türkei-Truppe.

Nun hatte Rolf auch Zeit, den Zahnriemen wechseln zu lassen, denn wir hatten ja noch die Fahrt quer durch den Balkan vor uns und wollten kein weiters Risiko eingehen. Wir waren dankbar, daß der Riemen bis hierher hielt. Der Hauptscheinwerfer war in der Zwischenzeit auch zu Bruch gegangen und so wurde er auch gleich mit repariert.

Wir hatten nun Zeit, Istanbul 2 Tage lang ausführlich zu besichtigen und uns dann abends auf dem Event die Ohren volldröhnen zu lassen.

In Istambul trennten wir uns dann von dem Rest der Truppe, denn wir wollten nicht in den geplanten 3 Tagen nach Deutschland rasen.

Es ist anzumerken, daß wir bis dahin weder das Service-Car noch den begleitenden Arzt, welcher ja die Rallye organisierte, benötigten. Alle Harleys liefen problemlos. Das einzige, was Probleme machte, war das Service-Car. Wir bekamen später mit, dass das Service-Car in Lubljana den Geist aufgab und der ADAC zum Einsatz kam.

Zu zwei ging es nun weiter nach Bulgarien, wo uns strömender Regen und eine "Saukälte" empfing. Über Serbien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro, teilweise durch eine grandiose Gebirgslandschaft, erreichen wir das Mittelmeer. Überall sind noch die Schäden des Krieges zu sehen, was uns sehr bedrückt hat. In Montenegro mussten wir auch mal "Straßengebühr" wegen Geschwindigkeitsüberschreitung um 27 km/h bezahlen. Mit 10 Euro fiel diese aber sehr human aus und wir bekamen sogar noch eine Quittung über den Betrag.

An der azurblauen Mittelmeerküste entlang erreichten wir Dubrovnik mit seiner sehenswerten Altstadt, welche wir natürlich auch besichtigen. Bei herrlichem Wetter und einer Traumküste mit wenig Verkehr, die Reisezeit hatte noch nicht begonnen, hatten wir 2 schöne Tage an der dalmatinischen Küste. Über Slowenien, Österreich erreichten wir dann nach 10.500 k km wieder Rulamanland.

Es war eine eindrucksvolle Reise, doch der Zeitrahmen war zu eng gesteckt, was aber hauptsächlich daran lag, dass der Organisator Dr. Brammer einfach nicht mehr Zeit hatte.

Und billig war das Ganze auch nicht, aber so etwas macht man ja nicht jedes Jahr. Wir würden in Zukunft auch auf das Service-Car verzichten, denn allein dieses schlug mit 750 Euro pro Person zu Buche. Und die Qualität der Harleys macht so ein Fahrzeug auch nicht notwendig.

 Bericht und Bilder: Rolf Kummer