Rulaman Deutschland e.V.
    ...willkommen in der Höhle

Motorradtour durch 11 Staaten USA - Tag 09

Donnerstag, 14. Juni 2012     9. Tag Las Vegas, Nevada    Excalibur
Flagstaff / Historische Route 66 / Seligman / Hackberry’s General Store / Kingman / Oatman / Mojave Wüste / Bullhead City / Hoover Dam / Las Vegas
Gefahrene Meilen: 364 (586 km)

Aufstehen 6 Uhr, Abfahrt 7 Uhr, denn ein weiterer heißer langer Tag liegt vor uns, über 40 Grad. Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass mir das Motorradfahren bei diesen Temperaturen keinen großen Spaß macht. Zunächst fahren wir in die urige Kneippe von gestern zum Frühstücken. Rolf stellt fest, dass ein Pedal zum Schalten am Motorrad fehlt. Vielleicht haben wir es gestern verloren. Rolf fährt es Suchen, doch er findet es nicht. Er vermutet eh, dass es ihm jemand in der Nacht abmontiert hat. Der Chinese im Grand Canyon Cafe – es besteht seit 70 Jahren! – auf der Route 66 in Flagstaff schenkt uns 50 Jahre alte Zündhölzer als Souvenir. Er will den Job noch 2 Jahre machen und dann in Rente gehen. Inzwischen ist es 8.30 Uhr. Zunächst geht es über die Interstate gen Westen, dann ab Ash Fork auf der historischen Route 66 bis Seligman. Halt an Angel’s Barber Shop, wo Angel selbst um ca. 10.45 Uhr eintrifft. Bewunderswert, was dieser alte Herr in den vergangen Jahren geschaffen hat. Wir machen „Shake Hands“ und dann radelt er mit seinem Fahrrad wieder von dannen. Angel (geboren 1927) und sein Bruder Juan Delgadillo, zwei Originale, die schon zu Lebzeiten Legende waren, brachten die Route 66 zurück ins Leben. Durch das persönliche Engagement der beiden Brüder, ihrer Familien und Freunde ist die Route 66 besonders in Seligman lebendiger denn je. In diesem Jahr haben wir auf der schönen Straße eine klare Sicht, doch alles ist sehr trocken und teilweise verbrannt. Der nächste Halt ist  Hackberry’s General Store, ein „Muss-Halt“ für jeden Motorradfahrer.

Entgegen der Namensgebung ist dieser General Store zwar auch ein Geschäft, aber in erster Linie eines der schönsten - wenn nicht das beste - Museum über die historische Route 66. Wenn man auf die große Parkfläche vor dem Store auffährt, fallen einem unzählige Antiquitäten, Sammelstücke und Raritäten aus den 1950er und 1960er Jahren ins Auge. Der Blickfang ist eine leuchtend rote Chevrolet Corvette aus dem Jahr 1956, die tagsüber vor dem Eingang des Museums unter dem schützenden Vordach ausgestellt ist. Sie gehört den Besitzern John und Kerry Pritchard, die 1998 mit dieser Corvette die Route 66 entlang fuhren, den alten General Store sahen und ihn spontan kauften.
Hackberry General Store wurde 1934 errichtet, als der nahe Ort Hackberry jenseits des Schienenstrangs mehr und mehr wuchs. Als die Route 66 an Bedeutung zunahm, übernahm der General Store die Versorgung der Reisenden mit Benzin und Proviant. Interstate 40 kürzte schließlich den kurvigen Straßenabschnitt zwischen Kingman und Seligman ab und beendete damit die Existenzgrundlage des Stores, der 1978 geschlossen wurde. In den frühen 1990er kam der exzentrische Künstler und Hippie Bob Waldmire zum verlassenen General Store und begann, seine Kunstwerke zu verkaufen. Bob war kein unbeschriebenes Blatt in der Geschichte der Route 66. Sein Vater erfand die Cozy Dogs, eine Art Hot Dog am Stiel, und andere Mitglieder seiner Familie betreiben auch heute noch das berühmte Cozy Dog Drive-In in Springfield/Illinois. Für die Route 66 interessierte sich Bob seit den späten 1960ern. Seit dieser Zeit bereiste er die Straße mit seinem VW-Van, verkaufte seine Bilder in Form von Postkarten, Stickern, Postern und Karten. Die Postkarten kann man heute als Reproduktionen entlang der ganzen Route 66 kaufen. 1992 teilte Bob mit, er würde den Hackberry General Store wiedereröffnen. Er kaufte das Gebäude und renovierte es, malte die alten Schilder neu und fegte den Parkplatz. So entstand das International-Bio-regional Old Route 66 Visitors Center. Als das Visitor Center seine Türen öffnete, bot es den Besuchern die Möglichkeit, eine eindrucksvolle Sammlung von Karten, Büchern, Straßenschildern und Relikten, die mit der historischen Route 66 im Zusammenhang standen, zu bewundern. Dabei gestaltete er eine Wand als Erinnerung an seinen Vater. 1998 zog es Bob aber wieder zurück nach Chicago/Illinois; die Einheimischen mochten den seltsamen Künstler nicht besonders, und er war es leid, sich von ihnen hänseln zu lassen. Außerdem war das Dach des Gebäudes undicht geworden. Als dann John und Kerry Pritchard durch Zufall vorbei kamen und anboten, das Dach zu flicken, verkaufte er das Visitor Center an das Ehepaar aus Washington. Der Erwerb gab ihnen einen Platz, um ihre Sammlung an Route 66 Erinnerungsstücken aus 35 Jahren auszustellen und den Store zu erweitern. John ist außerdem ein Oldtimerfan und legt im Gegensatz zum künstlerisch veranlagten Vorbesitzer mehr Wert auf das Geschäft - und natürlich alles, was mit den geliebten alten Autos zu tun hat.

 

Nachdem wir das obligatorische Eis verputzt, einige Kleinigkeiten gekauft haben, wurden die Außenanlagen besichtigt, wo Rolf eine Schlange in einem Holzstapel verschwinden sah. Die Schlange war schnell und darum gibt es kein Bild von ihr. Weiter geht es nach Kingman, wo Rolf beim Harley Dealer, den wir aus Vorbesuchen kennen, sein Pedal erneuern lässt. Wir anderen stöbern in dem schönen Laden und trinken Kaffee. Kingman liegt am östlichen Rand der Mojave-Wüste. Die Stadt bildet an der Kreuzung von Interstate 40, HW 93 und Route 66 einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt vor Las Vegas und Laughlin.

Die Mojave-Wüste liegt in Arizona, Nevada, Utah und Kalifornien. Sie gehört zu den Regenschattenwüsten. Diese können nur entstehen, wenn sie von Gebirgen umgeben sind, die die Wolken stauen und abregnen lassen, so dass für das Land hinter dem Gebirge kein Wasser mehr übrig bleibt. Die Mojave-Wüste wird von den Tehachapi Bergen, den San Gabriel Mountains und den San Bernadino Mountains begrenzt. Die Mojave-Wüste hat eine max. Niederschlagsmenge von 150 Millimetern/Jahr. In dieser Wüste befindet sich auch einer der heißesten Orte, das Death Valley, durchschnittliche Temperaturen Juli/August mehr als 45 Grad. Der Mojave-River, 180 km lang, ist die wichtigste Wasserquelle in der Mojave-Wüste.


Um 14 Uhr ist das Motorrad fertig und wir fahren weiter, nach Oatman. Es geht durch eine herrliche Landschaft, bergig, mit vielen Kurven, über den Sitgreaves Pass, 1.084 m. Es ist ziemlich heiß. Kurven, Berge, Felsen – der Oatman Highway ist eine Traumstrecke. Wir passieren Warm Springs Wilderness und Mount Nutt Wilderness. Diese Wüstengegend gehört zu den vielen Wildnisgebieten im Lower Colorado River Valley.
Gerade fällt mir ein, dass wir vor kurzem ein Auto ohne Motorhaube sahen, unglaublich, dass man damit so herum fahren kann. Wir erreichen Oatman. Der Ort ist eine ehemalige Bergbaustadt in den Black Mountains, auf 830 m Höhe gelegen. Oatman lebt von der Nostalgie der historischen Route 66. Mir gefallen die Geschäfte nicht mehr, da viele nur noch Kitsch aus China verkaufen. Seit unserem ersten Besuch vor 8 Jahren hat Oatman viel von seinem Charme verloren. Wir treffen den Indianer, der uns vor Jahren zwei schöne Flaggen verkaufte, die nun in unserem Treppenhaus hängen. Wir halten einen kleinen Plausch. In diesem Jahr sind weniger Esel unterwegs, es gibt nur einige Jungtiere. Im letzten Jahr waren die „wilden Esel“ ganz schön aufdringlich, sie spazierten bis in die Geschäft hinein …

Weiter geht es, über Bullhead City, Boulder, zum Hoover Dam – wir haben 44 Grad. Einige Male machen wir Pause, um etwas zu trinken wegen der Hitze. Mir bekommt diese extreme Wärme heute nicht so besonders. Wir sind inzwischen in Nevada. Von weitem ist der schöne Mohave See zu sehen. Er ist eine Ausdehnung des Colorado River, mitten in der Wüste. Der See ist sehr schmal und teilweise von steilen Felswänden umgeben. Auf dem HW 95 fahren wir Richtung Las Vegas. In Boulder setzt Rolf mich bei einem McDonald ab, ich warte im Kühlen bis die anderen den Damm besichtigt haben. Da ich ihn schon einige Male sah, kann ich heute bei der Hitze gut darauf verzichten. Wir sind um 6 Uhr aufgestanden, um 7 Uhr losgefahren und jetzt haben wir 19 Uhr, der Tag ist bei der Hitze für mich einfach zu lang …


Hoover Dam: Hier wurde eine gigantische Autobahnbrücke – Hoover Dam Bypass (US 93) zwischen den felsigen Bergen gebaut (Verkehrsfreigabe Oktober 2010). Der Hoover-Staudamm befindet sich auf der Grenze zwischen Nevada und Arizona im Black Canyon. Sein Absperrbauwerk ist kein Staudamm, sondern eine Staumauer. Sie staut den Colorado, der hier die Grenze zwischen Arizona und Nevada bildet, zum Lake Mead auf. Der aufgestaute See weist eine Fläche von 69.000 Hektar, eine Länge von ca. 170 km und eine maximale Tiefe von ca. 180 Metern auf. Mit seinem Speicherinhalt von rund 35 Milliarden Kubikmetern ist er der größte Stausee der USA. Der Lake Mead, umrahmt von den Black Mountains, ist ein riesiges Erholungsgebiet. Der Hauptzweck der Staumauer ist die kontrollierte Wasserabgabe in Arizona, Nevada und Kalifornien. Ein weiterer Zweck ist die Gewinnung elektrischer Energie. Durch den Verkauf von Strom refinanzierte sich das Projekt und trägt die laufenden Wartungskosten selbst. Gebaut wurde die Hoover-Staumauer zwischen 1931 und 1935 als Bogengewichtsmauer mit einer Höhe von 221 Metern und einer oberen Dicke von ca. 14 Metern. Die untere Dicke beträgt 201 Meter. Die Staumauer besteht aus rund 2,6 Millionen Kubikmeter Beton und 43.500 Tonnen Stahl. Die Stadt Las Vegas verdankt der Staumauer ihr heutiges Aussehen, denn nur durch das rund 50 km entfernte Bauprojekt, für das Tausende von Arbeitern (ca. 16.000!) benötigt wurden, wurde aus der 1905 gegründeten, kleinen Wüstensiedlung die heutige Spielermetropole. Im für die Arbeiter und ihre Familien gebauten Boulder City waren Glücksspiel und Alkohol verboten, so dass es viele der Arbeiter in ihrer Freizeit in das nahe gelegene Las Vegas zog, das so innerhalb kurzer Zeit immer mehr Bars und Casinos zu bieten hatte.

Erst gegen 20.10 Uhr erreichen wir Las Vegas, nach 13 Stunden …
Um 21 Uhr treffen wir uns, um essen zu gehen. Leider laufen wir erst einmal eine Weile falsch, ehe wir um 21.30 Uhr in einem irischen Pub landen. Heute Abend gibt es die ersten Unstimmigkeiten, Monika ist angesäuert wegen des Sitzplatzes und evtl. der Speisekarte – Las Vegas ist teuer! Mich berührt das nicht weiter, denn wir sind heute alle gestresst, wegen der Hitze und der Länge des Tages … In dem irischen Pub langt man bei den Preisen kräftig zu, ein normaler grüner Salat 18 Dollar, Tonic Wasser – ohne Nachfüllen! – 3,50 Dollar! Und dann versuchen sie zu allem Überfluss noch, uns mit der Rechnung bei der Berechnung des Trinkgeldes übers Ohr zu hauen. Kein schöner Zug. Rolf und Monika essen Salat, Josef Lammstew und ich trinke nur ein Glas Weißwein. Was uns über die Preise hinweg tröstet, ist die sehr schöne irische Musik, die eine Live-Gruppe darbietet. Nach dem Essen machen Monika und Josef einen Spaziergang auf dem Strip, denn sie sind zum ersten Mal hier. Rolf und ich setzen uns auf eine Bank, Rolf raucht und wir lauschen der schönen irischen Musik.


Für uns beide ist Las Vegas ein Graus. Auch bei diesem Besuch empfinde ich die Stadt als dekadent und überflüssig. Enorm viel Energie und Wasser wird verschwendet, für Spieler und Touristen. 90 % des Wasser kommt aus dem Lake Mead. 1999 war der Stausee zum letzten Mal vollständig gefüllt, seither ist der Wasserspiegel um mehr als 30 m gesunken. und der Wasservorrat wird max. noch 20 Jahre reichen. Die Trinkwasserknappheit – ausgelöst durch die Wasservergeudung, die Bevölkerungsexplosion und den expandieren Tourismus (mehr als 40 Mio. jährlich!) zwang die Stadt, drei Water-Waste-Investigators (Water Cops) im Las Vegas Valley einzustellen. Wasserverschwendung etc. wird streng bestraft. Die Bewegung „Stopp den Weiterbau von Las Vegas“ unterstütze ich seit langem. Ein kritischer Fernseh-Bericht, der sich mit der Arbeitswelt in Las Vegas auseinandersetzt, zeigt Menschen, die, vor kurzem noch in Lohn und Brot, nun in Katakomben unter der Stadt hausen, denn Leben kann man das nicht nennen. Die Arbeitslosenquote liegt bei ca. 14 % und ist eine der höchsten in den USA, ebenso die Obdachlosenanzahl, mehr als 100.000 Menschen! So weist Las Vegas auch die höchste Selbstmordrate der USA auf. Und in einer auf Statistiken des FBI basierenden Liste des Forbes-Magazins wird Las Vegas als die viertgefährlichste Stadt der USA bezeichnet.

 

Später wandern wir gemütlich zum Hotel zurück, wo wir an der Bar unsere zwei Frei-Getränke einlösen, Wein wird im Plastikbecher serviert, unmöglich. Gegen 24 Uhr liegen wir im Bett. Der Tag war lang, zu lang, was sich auch in div. Streitereien zeigt.